Verkehr im Iran
Nachdem wir jetzt mehrmals in Teheran und auch in den weiteren iranischen Millionenstädten herumgefahren sind, möchte ich mal zur Verkehrssituation im Iran etwas loswerden.
Bei erreichen Teherans, als wir das erste mal herkamen, haben sich mir im Sinne des Wortes unter dem Helm die Haare gesträubt. Motorräder mit 3, ja 4 Mann drauf. Keiner einen Helm auf, versteht sich. Ganze Familien auf einem Motorrad. 2 Kinder vorne auf dem Tank und zwischen Vater und Mutter noch ein Kleinkind eingeklemmt.
Wo man hinkommt Lastwagen die schwarze Wolken Abgas ausstossen. Autos die durcheinander fahren, fast wie die Puffautos im Lunapark.
Fussgänger in ständiger Gefahr, die sich von einer Strassenseite auf die andere wuseln. Auffällig viele sind hier krumm, gehen schief. Vermutlich mal beim überqueren der Strasse unter die Räder gekommen.
Und das dauernde Gehupe. Nach welchen Regeln fahren die denn? Wenn der Meinung bist, ich fahre in meiner Spur, bleib du gefälligst in deiner – dann bist hier verloren. Wenn die Fahrbahn 4 Spuren hat, fahren sie 6 Autos nebeneinander. Wenns 3 Spuren sind 4. Wenn denn der Platz dafür da ist und nicht einer was abzuladen hat oder mal schnell bei einem Händler am Strassenrand etwas kaufen will oder um jemanden ein- oder aussteigen zu lassen. Sie halten an, egal wo sie gerade sind. Sie überholen in fast jeder Situation und bleiben im nächsten Moment vor dir stehen. Überholt wird hier wie es kommt. Bald links, bald rechts. Zunächst ist dieses Fahrverhalten irritierend, ja beängstigend. Aber irgendwie funktionierts. Sie wechseln ständig die Spur. Ohne zu blinken und ohne in den Spiegel zu schauen. Brauchen sie auch nicht weil der von seitlich hinten kommt, durch ein Hupzeichen zu erkennen gibt, Achtung da ist einer.
Die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten sie penibel ein.
Ich glaube, es ist auch das einzige was hier kontrolliert wird.
Mit dem Radar stehen sie oft.
120 auf den Autobahnen, 110 auf den Schnellstrassen, 90 auf den Strassen mit Gegenverkehr, 50 in den Ortszentren.
Dort sorgen zudem willkürlich hingebaute Schwellen für eine Geschwindigkeitsreduzierung. Dabei sind verschiedene Typen anzutreffen. Die breitgezogenen, sanft runden – über die kann man mit dem Motorrad fast ungebremst darübergleiten. Dann sind die halbrunden Plastikschalen die quer über die Fahrbahn am Boden festgeschraubt sind. Über die gehts mit Geschwindigkeitsreduzierung auch noch halbwegs flott drüber. Manchmal fehlt eine Platte – dann denkst da ziele ich durch – aber Achtung, nur die Platte fehlt, die Schrauben sind noch da. Und dann sind noch die Knochenbrecher. Handwerklich gegossene Wülste quer über die Fahrbahn. Fast ein Mäuerchen mit abgerundeter Krone. Mehr hoch als breit. Die zwingen jeden ins Schrittempo und weniger. Vor denen bleiben sie fast stehen. In deren Nähe liegen nicht selten Karosserieteile herum.
Am besten man orientiert sich an den vorausfahrenden Autos.
Wenn die abbremsen weiss man, hier ist was. Wenn keinen vor dir hast, musst selber gut schauen. Einmal habe ich so einen Wulst erst im letzten Moment gesehen. Anbremsen bis knapp davor, Bremse freigeben, sich im Sattel etwas aufrichten um Moto zu entlasten und drüber. Der Fahrer eines Auto hinter mir, hat wohl zu sehr aufs Motorrad geschaut – wir erregen hier viel Aufmerksamkeit – jedenfalls überholt er und als er das Hindernis bemerkt, bremst er fatalerweise auch noch in den Wulst hinein. Blech knirscht, Funken sprühen, sein Auspufftopf samt einem Stück Rohr scheppert über den Asphalt. Im Rückspiegel sehe ich ihn am Strassenrand stehenbleiben.
Alle denkbaren Waren, von Einlegesohlen, Autoteppichen bis lebende Hühner, vorwiegend aber landwirtschaftliche Produkte werden von Bauern und Händlern am Strassenrand feilgeboten. Einer steht am Strassenrand und schwenkt eine Tafel mit dem Angebot und kurz darauf dann der Stand wo es das dann zu kaufen gibt. Auch auf den Autobahnen. Auch wir machen gelegentlich vom Angebot gebrauch. Kaufen Obst, oder mal eine Wassermelone. Schmeckt bei der Hitze richtig gut.
Hat einer was vergessen, oder will an die Tankstelle der gegenüberliegenden Seite oder was auch immer, dann fährt er entgegen die Fahrtrichtung am Rand dahin zurück. Kein Problem.
Einmal hats bei einer Dorfdurchfahrt aus einer Bäckerei verführerisch nach frisch gebackenem Brot geduftet. Ich halte kurz entschlossen an. Die Fahrspuren sind hier wie meist in Orten, durch ein Mäuerchen getrennt. Ah, schon vorbei, fahre ich halt wieder zurück. Machen hier alle so. Es kommt gerade eine Polizeistreife des Weges, halten uns auf. Wir verstehen kein Wort, sie auch nicht. Es kommt noch eine Streife hinzu. Mitkommen auf die Wache. Eine Streife voraus – eine hinterher, eskortieren sie uns in die nahe Polizeikaserne. Wir ahnen schon gleich das die nur negierig sind, wer wir sind, woher, wohin, das Motorrad. So ist es dann auch. Dort kann einer englisch. Sie wollen von sich und dem Motorrad ein Foto machen, mit uns ein Selfie. Kein Wort bezüglich des „Verstosses“. Der Kleinste von ihnen fragt ob er mal aufsitzen dürfe. Wer die GS kennt, weiss wie hoch die ist. Ich bedeute ihm, seine kurzen Beine mit den Händen anzeigend, dass das wohl nicht möglich sei. Die anderen lachen. Als sie uns wieder entlassen, schütteln sie uns die Hand. Nur der Kleine hält die seine verbissen in der Hosentasche begraben.
Der Universal-Transporter hier sind so blaue Pickupähnliche Kleinlaster, Zamjad, denke indischer Produktion. Die sind überall und transportieren alles. Melonen, Baumaterial, Tiere, stehend zusammengepfercht auch Menschen. Manche haben hinten ein Zusatzgestell montiert, welches es erlaubt, sperrige Güter über das Kabinendach zu laden. Dort habe ich Lasten drauf gesehen dass mir ums Leben des Fahrers bange wurde. Wenn der einen Schweller übersieht erschlägt ihn die Ladung.
In allen Gegenden wird anders gefahren. In der Schweiz anders als in Holland. In Mitteleuropa anders als in Griechenland. Im Flachland anders als in Berggebieten. Über den Tempowahn auf deutschen Autobahnen kann man auch nur den Kopf schütteln. Einen universalen Fahrstil gibt es nicht. Ich behaupte mal, dass man auch für sowas wie den regionalen Fahrstil ein Gefühl entwickeln kann.
Und im Iran fährt man eben so!
Bis auf wenige Ausnahmen fahren sie rücksichtsvoll, verlieren nie die Geduld, nehmen Unterbrechungen mit stoischer Gelassenheit hin.
NIE fahren sie schneller als erlaubt.
NIE habe ich einen aus Ungeduld hupen hören.
NIE habe ich gesehen dass einer den Vogel oder sonstwas gezeigt hätte.
NIE hat einer die Lichthupe betätigt weil er schnell vorbei wollte.
NIE hat einer aus dem Autofenster geschimpft.
Comments (3)
Hoi Alex wos ix mitt´n Aralsea. Sattas sem vobeikemm? Tat mi itressiern wie´s ausxaug und ob er widdo a bissl woxt. Die Weltbank ot jo a neua Staumaure finanziert dasz Wosso eit weita vositzt.
Mochts la guit,
Hallo Alex,
perfekte Beschreibung – genau so haben wir es auch erlebt.
Weiterhin gute Fahrt!
Liebe Grüße
Christian
Interessanter Einblick in den Verkehr. Solche Informationen geben einen ziemlich guten Eindruck was man selbst zu erwarten hat, sollte man es selbst jemals da hin schaffen.
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