Iran. Persien. (Teil 1)
Eine kleine Aufregung machte sich in uns breit, als wir von den Türken abgefertigt waren und vor dem geschlossenen Gitter auf einen iranischen Beamten warteten. Der kam uns mit ausgestreckter Hand entgegen, “welcome in Iran”, und bat uns in die Abfertigungsbaracken.
Ein Schleuser bot hier seine Dienste an. Da er einen guten Eindruck auf mich machte, überließen wir ihm die Formalitäten. Weder mussten wir durch einen Scanner, noch wurde unser Gepäck durchleuchtet, nicht einmal eine Tasche geöffnet. Eine Beamtin befragte uns, ob wir verheiratet seien, wie wir aus dem Iran wieder auszureisen gedächten, ob wir Dollar bzw. Euro dabei hätten, wollte aber nicht wissen wie viele. Auf ein Zettelchen schrieb sie uns den aktuellen Wechselkurs. Das Carnet hatten wir noch vorzuweisen, eine Versicherung noch abzuschließen und das wars.
In nicht einmal einer Stunde waren wir durch! Inshallah.
Ob die alle heute einen guten Tag hatten oder der Schleuser so tüchtig, ich weiss es nicht. Er wollte 40 Dollar für seinen Dienst. 30 habe ich ihm dann gegeben.
Also waren wir da, auf der anderen Seite der Grenze. Zunächst einmal nahmen wir eine Jause ein. Ein supergutes Baguette, denen von Subway nicht unähnlich, aber mit persischen Zutaten. Dazu passend einen Becher Ayran.
Nach den endlosen Regenfahrten in der Türkei tat die Sonne jetzt richtig gut. Wir wählten den von den Innsbruckern empfohlenen Weg, einem Tal entlang der Aserbaidschanischen Grenze nach Jolfa. Dabei kamen wir auch am christlichen Kloster St. Stephanus vorbei. Ein super Tipp!
Am nächsten Tag war der blaue Himmel wieder dem nach Regen aussehenden grau gewichen. Nach Täbris ginge es auch direkt auf einer Schnellstraße. Schnell wollen wir gar nicht und so fahren wir auf der über Berg und Tal führenden Grenzstraße weiter. Rotdurchzogene Felsen, grünes Hügelland, aus einem Wolkenloch ein Strahl Licht.
Dann fängts zur Abwechslung wieder einmal zum regnen an. Richtig heftig.
In Kharvana kommt uns ein Schweizer auf einem Uralgespann entgegen. Wir talken am Strassenrand und erfahren dass die Strasse bei Tarzam knietief verschlammt sei.
Auf seinen eindringlichen Rat hin, nehmen wir dann lieber den weitern Weg über Varzegan.
Pascal aus Bern, seit 2014 unterwegs
Täbris erreichen wir gegen 16 Uhr und beziehen zunächst mal ein Hotel. Später gehen wir zum Essen und bummeln durch den alten Stadtbezirk. Im Gegensatz zur Türkei ist hier auf den Straßen kaum Polizei präsent.
Auch der Lautsprecher mit dem Muezzin ist nicht so laut eingestellt.
Am nächsten Morgen bummeln wir durch das für uns interessante Viertel mit der blauen Moschee, dem zum Weltkulturerbe erhobenen Basar, die Gärten mit den picknickenden Persern.
Alle sind ungemein freundlich, ja herzlich, sprechen uns an, wollen ein Selfie mit uns machen.
Vor dem Basar passt uns ein Geldwechsler ab. 3 Millionen Rial für 50 Euro. Brauche gerade iranisches Geld und so gehe ich den Handel ein. Drin dann der Nächste. 3 Millionen für 50 Dollar. Ah! Wechsle ich halt noch einmal. Wir kaufen was an einem der Stände. Ob ich Euro wechseln wolle? 3,8 Millionen für 50 Euro. Diesmal lasse ichs. Habe in einer Viertelstunde 2 Millionen vergeigt. Zum Glück Rial.
Später lassen wir uns von einem Irancell-Filiale 2 iranische Simkarten ausgeben. Eine Prozedur, die bis alles wirklich funktioniert hat, 2 Stunden gedauert hat.
Morgen werden wir wieder einen Tipp der Innsbrucker aufgreifen und zunächst nach Kandovan und dann weiter zum Tacht-i Suleiman hinunter.
Kandovan liegt hinten in einem Tal, gut 50 Kilometer von Tabriz. In einer weitläufigen, offenen Landschaft verläuft eine Vertiefung, nicht viel tiefer als die Umgebung und das ist das Tal. Dort rinnt ein Bach und dem entlang wächst alles. In dieser Gegend speziell Nussbaumwälder.
Kandovan selbst ist ein Dorf in Felsen gehauen. Ähnlich Kapadokkien. Die Höhlen sind teils noch heute bewohnt. Sehenswert. Touristisch halt überlaufen. Shop an Shop und alle den gleichen Plunder. Hier treffen wir auf eine Gruppe italienischer Motorradreisender aus Alessandria.
Carlo di Todaro “taste the world” di Firenze.
Lo chiesi quanto tempo avrebbe a disposizione e mi rispose „ho 21 anni“…
Roswitha mit unverschämt knappem Kopftuch. Dieses ist auch unter dem Helm zu tragen!
Teheran:
Später, nach 300 Kilometer Fahrt erreichen wit Takat. Dort suchen wir uns eine Unterkunft.
Gleich in der Frühe brechen wir auf zum Tacht-i Suleiman. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Die 45 Kilometer sind bald zurückgelegt. Zunächst erreichen wir auf einer Hochebene einen kegelförmigen Hügel. Den steigen wir 120 Meter zum Gipfel hinauf. Oben erwartet uns eine Überraschung. Äußerlich sieht der Kegel aus wie ein Hügel. Oben aber ist ein 80 Meter tiefes Loch, 20 Meter im Querschnitt, wie ein gigantischer Schlot, von einem schmalen Rand umgeben. Eine Sinterquelle hat hier in Jahrmillionen Travertin gebildet und ist irgendeinmal trocken gefallen. Iranisches Fernsehen ist gerade da und bitten Roswita um ein Interview. Von oben ist, ein Kilometer entfernt, der Tacht-i Suleiman, Thron des Salomo, zu sehen. Alsbald sind wir dort. Hier speißt eine aktive Sinterquelle aus der Tiefe einen See.
100 Meter im Durchmesser, konstant 22 Grad warm. Rundherum antike Anlagen.
Unser nächstes Ziel ist die Stadt Zanjan in rund 200 Kilometer. Es geht abwechslungsreich über hügeliges Land. Ein auf und ab durch eine tolle, gottverlassene Landschaft. Immer neue Perspektiven tun sich auf. Grüne Fluren, bunte Gesteinsschichten, schneebedeckte Gipfel, der blaue Himmel. Immer wieder halten wir an um zu schauen. Ich versuche die Eindrücke tief einzusaugen.
In Zanjan kommen wir am späten Nachmittag an und suchen zunächst ein Zimmer für die Nacht.
Am nächsten Tag fahren wir weiter nach Teheran. Für die 300 Kilometer durch nichtssagende Landschaft wählen wir die Autobahn. An der Auffahrt verkünden riesige Schilder wer alles NICHT auf die Autobahn darf: Fussgänger, Radfahrer, Fuhrwerke, MOTORRÄDER. Die Tafeln ignorieren wir, gemeint werden wohl solche Motorräder sein wie sie die Perser fahren.
Als kurz nach der Einfahrt auf die Autobahn eine Polizeistreife den Verkehr überwacht ist mir für einen Moment nicht mehr wohl. Aber die Polizisten winken uns freundlich zu als wir an ihnen vorbeifahren. An der ersten Mautstation die nächste Überraschung. Wir halten an, ich will Geld aus der Tasche holen. Der freundliche Kassier fragt “where are you from” und nach unserer Antwort “Italy” winkt er uns durch. “Free”. Nachdem Motorräder auf der Autobahn nicht fahren dürften, wird auch kein Tarif dafür vorgesehen sein. Also “free”. Auch an den folgenden Stationen werden wir durchgewunken.
Es herrscht kaum Verkehr. Die fahren alle auf der fast parallel verlaufenden kostenlosen Schnellstrasse. Ich stelle den Gasgriff mit der Schraube fest. Material- und Reifenschonende knappe 100 Kmh. Die müssen noch lange halten! So leicht sind Markenreifen in der geforderten Grösse hier nicht zu beschaffen.
Am dichter werdenden Verkehr merken wir dass wir uns Teheran nähern. Bald gehts auf 6 Spuren stadteinwärts. Stau, Smog, Chaos. Es stinkt gewaltig. Die meisten Fahrzeuge sind nicht mit Katalysator ausgestattet. An den Tankstellen sind überall die roten Zapfhähne mit dem verbleiten Benzin. Grüne habe ich noch gar keine gesehen. Nach welchen Regeln fahren die denn hier? Nichts für schwache Nerven! Zu allem Überfluss kennt maps-me den Namen des Hotels nicht und so haben wir nur den Strassennamen um hinzufinden. Nach gefühlten 2 Stunden stehen wir endlich davor. Eine gute Wahl! In der Oberstadt und da ganz oben. Lavizan Forest Park heißt die Gegend und Shian das Hotel. Ausnahmsweise mal ein Preis. 50 Euro das Doppelzimmer. Kann man sich leisten!
Unten ausgebreitet bis zum Horizont liegt Teheran. Die Elbrusberge geben der Stadt nach einer Seite den Rahmen. Sie sind gerade gut zu sehen. Bei Smog-Wetterlage sieht man hier angeblich keine 200 Meter.
Oben auf der Panoramaterasse kann am Abend gegessen werden. Gesessen wird auf kleinen abgeteilten Emporen. Der Fernsehturm ist gut zu sehen und sticht wie eine große Fackel aus dem Stadtdschungel hervor; er scheint die schneebedeckten Berge im Hintergrund zu beleuchten. Aus der Stadt kommen Gäste herauf. Meist junge Pärchen die dem zu kleinen Freiraum den die Moralvorstellung ihrer Gesellschaft gebietet für ein Weilchen entfliehen. Manchmal küssen sie sich verstohlen. Mein Blick geht hinaus aufs Lichtermeer, dezente persische Musik, die Schwaden aus den Wasserpfeifen, ich werde ganz duselig davon. Iranisches way of life.
Am nächsten Tag lassen wir uns von einem Taxi in die Stadt bringen. Am Übergang zur Fussgängerzone lässt er uns aussteigen. Wir schlendern in den Einkaufsstrassen herum, kommen zum weitläufigen Bazar. Eine Stadt in der Stadt. Also zu kaufen gibts hier alles! Keine Spur von Mangelwirtschaft. Allerdings die Labels, inklusive den Shoppern dazu, wohl alle gefälscht. Kaufen wollen wir eh nix. Wir wollen nur bummeln und beobachten. Ein Geldwechsler spricht mich an. Diesmal bin ich vorsichtiger und lasse mich auf den Handel nicht sofort ein. Schliesslich einigen wir uns auf 7.500.000 Millionen für 100 Euro. Er zählt mir 15 Scheine aus einem Packen hervor und lässt sie mich nachzählen. Erst danach nimmt er meinen Hunderter an sich. Korrekt!
Den Golestanpalast haben wir noch zu besichtigen. Hier hat bis 1978 noch der Schah Hof gehalten. Prunkvolle Spiegelsäle, Repräsentationsräume, der Pfauenthron von dem sie den arroganten Schnösel vertrieben haben. Sobald wir den Iran verlassen haben, wird hier noch ein Absatz stehen. Im weitläufigen Garten verweilen wir, essen was im dortigen Restaurant. Gegen Nachmittag verlassen wir das Palastgelände wieder. Ein Taxi ist sofort zu Stelle. Den Preis verhandeln wir bevor wir einsteigen. Er bringt uns zurück auf unseren Hügel. Am Abend wieder Dachterrasse. Das volle Programm.
Den nächsten Tag verbringen wir ganz relaxt. Wir wandern in die Stadt hinab, kaufen etwas Obst, Wasser und wieder hinauf in den weitläufigen Park. Dort ist es herrlich ruhig, angenehme 25 Grad warm oder kühl, wie man will. Ein Fitnessparkour lädt zu Bewegung ein. Im Gelände verstreut, überall öffentliche Grillstellen. Momentan sind alle verwaist. Ramadam!
Wirklich alle? Aus einem Wäldchen dringt Rauch…
Wir fallen auf hier im Iran. Mit und ohne Motorrad. Wo man hinkommt, überall trifft man auf freundliche Menschen. Sie winken die Perser, grüssen, fragen woher man komme, ob es einem im Iran gefalle, bitten um ein gemeinsames Foto. Sobald man augenscheinlich etwas sucht, nähert sich garantiert jemand um zu helfen. Sie hupen uns zu, blinken mit den Scheinwerfern, rufen aus dem Autofenster. Ein Paar wirft uns aus dem fahrenden Auto Blumen zu. Lästig sind nur die, die von hinten nahe heran- oder vorbeifahren und dabei hupen. Da erschrickt man gehörig! Aber sie meinen es gut, die Perser.
Goodbye Teheran
Wir verlassen Teheran und fahren auf der Autobahn gen Süden. Free – wie gehabt. Die Landschaft wird zunehmend arrider. Grün ist nur mehr in Senken zu sehen, wo sich Feuchtigkeit sammelt. Das bleibt so eine Weile. Die Temperatur erreicht gut 30 Grad. Erst als wir die Ausläufers des Zagros-Gebirges erreichen wirds wieder grün und mit zunehmender Höhe auch kühler. Unser Ziel ist Chelgerd, die höchst gelegene Stadt des Iran auf 2300 Meter. Im Winter ein Skigebiet mit 2 Liften. Die Zagros-Berge erreichen hier über 4000 Meter Höhe und sind (Ende Mai) bis weit herunter noch schneebedeckt.
In einem Tunnelsystem wird Wasser gefasst um die Städte Esfahan und Yazd mit Trinkwasser zu versorgen. Die lokale Bevölkerung gehört der Etnie der Bachtiaren an. Teils sesshaft geworden, teils noch nomadisierend. Die Nomaden überschreiten zweimal im Jahr, mit allem Hab und Gut, in einem 20tägigen Marsch den Gebirgszug.
Am nächsten Tag lassen wirs gemütlich angehen. 150 Kilometer bis Esfahan. In einem Dorf kaufen wir Obst und an einem schattigen Plätzchen am Straßenrand verzehren wir es. Bald gesellt sich ein Perser hinzu. Er hat in der Nähe Tee zubereitet und holt aus einer Schachtel süßes Gebäck. So trinken wir seinen Tee und er isst unser Obst. Sympatische Begegnung am Straßenrand, wir reden miteinander ohne ein Wort zu verstehen.
Esfahan/Isfahan erreichen wir Mitte nachmittag. Eine Millionenstadt. Um ins Zentrum zu gelangen gebe ich in maps-me des zentral gelegenen Luxus-Hotel Abbasi ein. Dort zu wohnen kommt wohl nicht in Frage. Gegenüber ist eins mit einem Stern weniger. Fragen kostet nichts, also frage ich. Nein, auch dieses werden wir nicht nehmen! Jetzt suche mal einen Geldwechsler. Die riechen die Gelegenheit. Schon spricht mich einer an. Meine Bauchgefühl sagt mir, ja, mit dem schon. Schnell werden wir handelseins. 200 Euro werden zu 15 Millionen Rial. Ob wir eine Unterkunft suchten, er wüsste da was. Er fährt voraus, wir hinterher. In einer Seitenstraße, etwas versteckt dann sein Vorschlag: Khan-Neshin-Hotel. Wie ein Riad. Innenhof mit Brunnen, Sitzsimsen, Polstern und von da aus in 7 Zimmer. Schön! Hier würden wir auch wohnen wollen. Für 2 Tage nicht einmal die Hälfte wie beim Nachbarn des Abbasi ein Tag gekostet hätte.
Esfahan/Isfahan:
3 Tage bleiben wir in Esfahan. Das übliche Programm. Der grosse Meidan und der etwas kleinere Platz, die Freitags-Moschee, der Bazar, die Brücken über den wegen eines Staudamms trockengefallenen Fluss. An der Einen soll Abends immer Party sein. Nicht als wir da waren. Wegen des Ramadam vielleicht? Beim Abbasi kommen wir nocheinmal vorbei. Es ist gerade Mittag. Komm, da essen wir jetzt was. Erstaunlich günstig der Preis! Den Ramadam haben Touristen offensichtlich nicht einzuhalten.
Unsere Reise setzen wir fort Richung Shiraz. Die Landschaft wird wieder wüstenähnlich. Auf guter Strasse kommen wir flott voran. Pasargade, ein Weltkulturerbe liegt am Weg.
Das schauen wir uns an. Um die Stätte hat sich ein ganzes Dorf an Souvenirläden, Imbissbuden und Taxlern angesammelt. Ob sichs für die alle ausgeht?
Weiter geht die Fahrt und kurz vor Shiraz erreichen wir Persepolis. Daran darf man nun wirklich nicht vorbeifahren! 500 Jahre vor Christus die Hauptstadt eines Weltreiches. Dareios, Xerxes, unsterblich gewordene Namen im Zusammenhang mit den als Perserkriege in die Geschichte eingegangen Einfällen in Griechenland. Marathon, Salamis, Thermophylen. WIR wären nicht WIR wenn das damals anders ausgegangen wäre und nicht die Griechen die Oberhand behalten hātten.
Nach kurzer Fahrt sind wir schon an den Einfallstrassen in Shiraz. Eine Unterkunft ist bald ausfindig gemacht. Wieder eine Riadähnliche Herberge mit offenem Innenhof. Hier quartieren wir uns für die nächsten 3 Tage ein.
Schon als wir die Strecke von Esfahan nach Shiraz auf der Karte in Augenschein nahmen, liess ich maps-me mal die Entfernung zum Golf errechnen. Seitdem geisterte die Idee in uns herum. Hinüber zum persischen Golf und am Abend wieder zurück.
Ja! „Pack mal die Badehose ein“, wir fahren hinüber.
Dieser eine Tag verdient ein eigenes Kapitel. Persian Gulf.