Seidenstraße
Nach gut 24 Stunden Fahrt ist das Schiff, von Baku-Aserbaidschan kommend, um 2 Uhr in der Nacht im Hafen von Aqtau-Kazachstan, eingelaufen. Polizei, Grenzbeamte und Militär kam an Bord und begannen mit ihren Kontrollen die alle Passagiere über sich ergehen zu lassen hatten. Ein unsympatischer Auftritt bei dem forsch herumkommandiert wurde. Alle Taschen waren zu öffnen, die Papiere mehrmals zu zeigen, ein Polizeihund schnüffelte überall herum. Als die Prozedur an Bord beendet war, gings im Abfertigungsgebäude weiter. Bis sich die letzte Schranke hob vergingen 6 (sechs) Stunden.
Gerade zur richtigen Zeit fürs Frühstück konnten wir das Gelände verlassen.
Das erste was auffällt, die Grenzbeamten und Beamtinnen und jetzt auch hier heraussen, es sind fast nur mehr schlitzäugige Personen, also mongolischen Aussehens zu sehen.
Die Frauen locker und adrett gekleidet, wie bei uns.
Zur Überfahrt hatten sich 4 Motorräder eingefunden. Tomas ein Tscheche, Nicolas ein Franzose, Wanja ein Kroate und wir. Nach dem bestandenen Einreiseabenteuer nahmen wir zusammen ein Frühstück ein und verabschiedeten uns.
Wir bezogen ein Hotel in Strandnähe und holten ersteinmal den verlorenen Schlaf nach. Später begaben wir uns an den Strand und suchten auch ein Restaurant auf. Aqtau hat den Flair von Jesolo. Nur dass am Strand nicht so viele liegen. Einmal die Flaniermeile hin und zurück. Ein Eis, eine grosse Tüte Popkorn. Nett hier.
Nach 2 Tagen haben wir genug und wollen weiter. Richtung Shepte. Zunächst erwischen wir einen falschen Weg. Einem Wasserrohr entlang führt eine Strasse. Als die immer schlechter wird und sich in der Landschaft verliert, sind wir schon mehr als eine Stunde gefahren. Auf einen gegen Wind, Sandpartikeln und Sonne dick vermummten Wasserwärter treffen wir draussen in der Steppe. Er macht mit den Armen ein Kreuz. Hier gehts nicht weiter. Nützt nichts, wir müssen wieder zurück. Das zweite mal fragen wir vorher.
Bis Bejneu einem Knotenpunkt da draussen im Nichts gelangten wir.
Morgen wollen wir dann weiter an die Usbekische Grenze. Franck, den wir auf der Autobahn im Iran, mitten in der Wüste getroffen hatten und der uns auf der Strecke um mehrere Tage vorausfährt, versorgt uns mit Informationen. Macht euch gefasst, 100 Kilometer bis zur Grenze nach Usbekistan „terrible road“ und danach auf der anderen Seite noch eine lange Strecke weiter nicht viel besser.
„Terrible road“, das war sie dann im Sinne des Wortes. Abwechselnd Teer, Frostaufbrüche, Schotter, Löcher, Beton mit eingegossenen Baustahlgittern deren Enden überall herausragen. Und reger Verkehr – Fernlaster und Pkw. Überall Karkassen von LKW-Reifen. Nur eine Frage der Zeit bis die Luft aus einem Reifen ist. Wir holen zwei Italiener ein. Der Eine auf einer Harley. Dem schaut das Entsetzen aus dem Gesicht. Wir haben Glück. Ohne Schaden erreichen wir die Grenze, werden gleich vorgewunken und in rund 1 Stunde sind wir durch Ausreise Kasachstan und Einreise Usbekistan durch.
In Usbekistan ist die Strasse zunächst nicht viel besser, aber immer wieder Teilstücke die sich flott befahren lassen. Die werden immer länger und bald kann man fast mit normaler Geschwindigkeit fahren. Zwischendurch sind aber doch wieder so Frostaufbrüche. Die sieht man manchmal zu spät und knallt hinein. Bei so einem Knaller hat sich der hintere Kotflügel der BMW verabschiedet.
Seit gut 200 Kilometern gehts, wie mit einem Lineal gezogen, geradeaus durch die Steppe dahin. Keine Richtungsänderung, immer flach. Die Eisenbahnlinie verläuft in einiger Entfernung, parallel zur Strasse. Auf der anderen Seite eine Stromleitung. Hie und da Dromedare die in dieser kargen Landschaft noch etwas fressbares finden. Manchmal kommt ein Auto entgegen oder ein Sattel. Vor den grösseren Löchern im Asphalt sind schwarze Bremsspuren. Über die Kleineren donnern sie drüber dass die Fetzen fliegen.
Keine Tankstelle seit 300 Kilometern. Die mitgeführte Reserve ist schon eingefüllt. Ich fange zum rechnen an. Langsam wirds ernst. Ein Täfelchen am Strassenrand kündigt eine Tankstelle an. Na, endlich!
Zu früh gefreut. Da war mal eine. Aus den verrotteten Zapfsäulen kommt schon lange kein Tropfen mehr. Etwas ratlos verlassen wir die vergammelte Anlage wieder und bleiben an der Strasse stehen.
Wir winken dem ersten Auto das vorbeikommt. Da sitzen mindestens 7 Personen drin. Dem Augenschein nach eine Familie inklusive Schwiegermutter. Sie verstehen kein Wort. Aber kein Benzin ist nicht schwer zu verstehen. Der Fahrer bedeutet uns ihm zu folgen. Ein paar Kilometer, abseits quer durch die Landschaft, dann ein Dorf. An einer Behausung bleibt er stehen. Da gibts Benzin. 10 Liter ziehen sie aus einem Barrel-Fass herüber in den Tank der BMW. Der hellgelben Farbe nach ist es der zu 82 Oktan. Manchmal bekommt man an Tankstellen auch keinen Besseren. Ich halte ihm ein Bündel Som hin, er nimmt soviel er für angemessen hält und wir fahren erleichtert weiter.
Die BMW schluckt den Sprit anstandslos. Eine Sonde misst die Abgase und die Zündung verstellt sich entsprechend vor- oder zurück.
Gegen Abend endlich – die Dunkelheit bricht hier plötzlich herein – in der Ferne das Lichtlein der an der Strasse liegenden Station Dinur. Ein Tipp von Franck! Hier gibts Unterkunft, was zum Essen, Treibstoff, Werkstätte.
Ein wasserführender Kanal durchschneidet hier die Landschaft. Solche Kanäle gibts hier immer wieder. In der Ebene fliessen sie offen, meist in einer Betonrinne. Wo die Landschaft hügelig ist, in riesigen Rohren von einem Meter Durchmesser und mehr.
Alles Wasser, das den Zuflüssen des nahegelegenen Aralsee, mit den bekannten Folgen abgezwackt wird.
Noch 200 Kilometer bis Khiva. Die älteste Karawanserei an der Seidenstraße. In einer weitläufigen Oase gelegen. Auch Marco Polo war schon hier. Türme, Moscheen, Medresen, die Stadtmauer. Schön! Überall ist man am restaurieren.
Leute, machts nicht gar zu perfekt, sonst ist die alte Patina weg!
Die Hitze in den schattigen Winkeln ist gut auszuhalten. Wir treffen auf weitere, von der Überfahrt bekannte Gesichter.
Zusammen gehen wir zum Abendessen und auf ein Bier.
Nach zwei Tagen brechen wir auf um nach Bukhara weiterzufahren. Knapp 400 Kilometer.
Zwei Drittel davon, auf autobahnähnlicher, perfekter Strasse durch die leicht hügelige Wüste. Zeitweise kein anderes Fahrzeug in Sicht. Mitten auf der Fahrbahn halten wir an, machen ein paar Bilder.
38 Grad. Herrlich zum Fahren.
Den Jet-Helm nur aufgesteckt, die Jacken hinten aufs Motorrad draufgezurrt, die Beine an den Sturzbügeln abgestüzt.
Born to be wild…
Das andere Drittel leider ein Flickenteppich, Holperstrecke.
In Bukhara/Buxoro waren wir schon früher mal, als wir hierher mit einem gemieteten Motorrad eine Erkundungstour unternahmen.
In der Zwischenzeit hat sich in Usbekistan allerhand verändert. Damals ist es uns wie in einem Polizeistaat vorgekommen.
Wir Touristen eher als lästig als willkommen gesehen.
Dank der Ölpreiskrise mussten die sich auch hier nach weiteren Einkunftsmöglichkeiten umschauen und haben dabei den Tourismus als Einnahmequelle entdeckt.
Überall sind Polizisten positioniert. Nicht mehr um zu kontrollieren, sondern um Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. Richtig freundlich sind die jetzt. Weissung von Oben. Der Seiden-Strassen-Tourismus ist zu einem unentbehrlichen Geschäft geworden.
Auch hier alles herausgeputzt, ja teils neu gebaut – auf Alt getrimmt. Ein Freilichtmuseum.
Das meiner Ansicht nach schönste Bauwerk islamischen Ursprungs ist die grosse Moschee in Bukhara, deren türkise Kuppeln den Karawanen in alter Zeit weit in die Steppe entgegen leuchteten. Der imposante Turm anbei, auch sehr schön, aber etwas gruselig, hatte man doch früher Straftäter in einen Sack gebunden und von oben in die Tiefe gestürzt.
Nächstes Ziel ist Samarqand. Über diese Stadt wusste Marco Polo zu sagen „Samarkand ist eine sehr edle und grosse Stadt, in der Sie schöne Gärten und alle Früchte finden können, die ein Mensch sich wünschen könnte.“ Stimmt 700 Jahre später immer noch.
Das Ensemble mit den drei Medresen um den Registan, dem prächtigsten Platz Mittelasiens, gab’s zu Polos Zeiten allerdings noch nicht. Marco Polo musste 3 Jahre hier ausharren um einen Krieg auszusitzen. Wir haben nach 3 Tagen genug und verlassen Samarqand in Richtung Dushanbe im Staate Tadschikistan.
Dushanbe. Es ist jetzt 20 Jahre her, dass sich hier in einem Bürgerkrieg, Islamisten und Ex-Kommunisten um die Vorherrschaft bekämpften. Davon ist heute nichts mehr zu spüren.
Die Stadt macht einen sauberen Eindruck.
Der höchste Fahnenmast der Welt steht hier.
Von ihm weht, in fast 200 Metern Höhe, die tadschikische Fahne. Heute ist es windstill und so hängt sie schlaff herab und ergibt kein Fotomotiv.
Vom Intermezzo am Pamir-Highway zurück, über Sary Tash nach Osh, im Staate Kirgistan, unserer letzten Station an der Seidenstrasse. Auch hier ist es vor genau 10 Jahren zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den Ethnien Kirgisen (die Schlitzäugigen) und den Turkmenen (ähnlich wir) gekommen.
In mehrtägigen Pogromen sind 2000 Menschen ums Leben gekommen. Die Lage scheint beruhigt. Die gespannte Stimmung jedoch, bleibt dem aufmerksamen Beobachter nicht verborgen.
Nach 3 Tagen in Osh fahren wir nach Bishkek hinüber, der Hauptstadt Kirgistans. Eine Strecke von gut 600 Kilometern. Landschaftlich sehr abwechslungsreich durch Täler, über Berge. Die Strasse ist weitgehend in gutem Zustand. Auch mit dem Wetter passt es. Zunächst. Es sind mehrere Pässe zu überwinden. Genau vor dem letzten und höchsten Pass geraten wir in einen Regen. Der erste seit 2 Monaten. Auf 4000 Meter hats nur mehr 2 Grad. Auf der anderen Seite gehts recht flott wieder abwärts und so steigt auch die Temperatur wieder. Der Regen allerdings bleibt uns für die letzten 100 Kilometer bis Bischkek erhalten. 2 Stunden lang werden wir gewaschen. Zu allem Überfluss ist hier ein Teilstück der Strasse in Bau und noch nicht asphaltiert. Hier in Stadtnähe herrscht starker Verkehr. So werden wir mit Dreck vollgespritz erst auch noch. Dafür genehmigen wir uns in Bishkek für die nächsten zwei Tage ein besseres Hotel als sonst und legen einen Stern zu.
Weiter geht die Fahrt über die Grenze nach Kasachstan mit dem Ziel Almaty. Die Befürchtungen, dass der Übertritt wieder so eine Schickane wird wie oben am Kaspischen Meer, als wir das erste mal in Kasachstan eingereist sind, bewahrheiten sich nicht und in einer guten halben Stunde sind wir Ausreise/Einreise drüber.
Bis Almaty noch 250 Kilometer.
Durch eine Landschaft die sich flach/leicht hügelig dahinzieht fahren wir dahin. Wenig Verkehr, Autobahnähnlich. Bis zum Horizont säumen Kornfelder die Strasse. Die goldenen Halme wogen im Wind wie wenns Wellen wären. Ein richtiges Sommerschauspiel.
In Gedanken kehre ich zurück in die Weite der kasachischen Steppe am Aralsee – zum ersehnten, in der Ferne schimmernden Lichtlein der Raststation Dinur – zu den gespenstisch leuchtenden Flammen über den Gasfeldern –
den unendlich hohen Nachthimmel der zentralasiatischen Steppe – zur glühenden Wüste zwischen Khiva und Bukhara –
in die eisigen Höhen des Pamir.
Wie lange war damals eine Karawane wohl unterwegs?
Morgen verlassen wir Almaty und damit die Seidenstrasse und schlagen einen neuen Weg ein.
Comments (3)
Super Alex!!!!
Bene vedo che procede tutto bene buona continuazione
Hallo Roswitha, hallo Alex,
bin echt begeistert von Eurer Reise und Du,Alex, schreibst sehr anschaulich und ich bin „fast“ dabei.
Alles klingt gut und hoffentlich gehts weiter so interessant.
Weiterhin viel Glück und ich freue mich auf jeden Bericht von Euch.
Elisabeth, Brixen
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